Sexuelle Handlung
Zentral bei den Sexualstraftaten ist der Begriff der sexuellen Handlung, in § 184h StGB genannt, vom Gesetz indes nicht definiert. Daher bedarf die Definition des Begriffs “sexuelle Handlung” ergänzender Kriterien:
Diese Kriterien bestehen in der Sexualbezogenheit der Handlung sowie die Erheblichkeit des jeweiligen sexuellen Verhaltens.
Mittels der Kriterien Sexualbezogenheit und Erheblichkeit kann bestimmt werden, ob die im Einzelfall mit Blick auf ein Sexualdelikt hin zu prüfende Verhaltensweise auch strafrechtliche Relevanz hat.
Können im konkreten Fall die Sexualbezogenheit und/oder die Erheblichkeit des jeweiligen Verhaltens verneint werden, liegt bereits keine sexuelle Handlung vor, sodass jedenfalls die Möglichkeit ausscheidet, dass sich der vermeintliche “Täter” eines Sexualdelikts strafbar gemacht hat.
Ob eine sexuelle Handlung gemäß Strafrecht vorliegt, ist oftmals ein Balanceakt. Sind Sie mit Vorwürfen dieser Art konfrontiert, sollten Sie daher unbedingt einen Anwalt für Sexualstrafrecht konsultieren. Als erfolgreiche Strafverteidigerin und Fachanwältin unterstütze ich Sie kompetent und diskret vor Gericht. Treten Sie jetzt mit mir in Kontakt und vereinbaren Sie einen Beratungstermin.
Sexualbezogenheit|closed
Die Rechtsprechung sieht dann Sexualbezogenheit in einem Verhalten, wenn dieses von dem Handelnden auch aus der Sicht eines objektiven Betrachters und damit nach dem äußeren Erscheinungsbild erkennbar sexuell motiviert war, mithin Bezug zur Sexualität hat, indem es dazu dient, eigene oder fremde Lust zu erregen.
Erkennt demnach bereits ein objektiver Betrachter den sexuellen Bezug eines Verhaltens, liegt Sexualbezogenheit regelmäßig vor. Dies also selbst dann, wenn das Verhalten aus Sicht des Handelnden in Wirklichkeit keine sexuellen Absichten hatte. Vielmehr kommt es auf die Frage, ob der Handelnde mit seinem Verhalten tatsächlich sexuelle Absichten verfolgt hat, nur dann an, wenn sein Verhalten objektiv zumindest keinen eindeutigen Bezug hatte.
Des Weiteren ist bei sexuellen Handlungen zu klären, ob versucht wurde, die sexuelle Motivation zu kaschieren. Hierzu zählen etwa übergriffige ärztliche Untersuchungen oder Gewalthandlungen. Zudem können Berührungen und Griffe, deren sexuelle Motivation für sich genommen nicht zweifelsfrei vorliegt, strafrechtlich relevant sein. Ob und wie diese für die Tatbestandmäßigkeit erheblich sind, muss im Einzelfall geklärt werden.
Erheblichkeit
Hinsichtlich der Erheblichkeit der sexuellen Handlung sind Dauer und Intensität ausschlaggebend. Je nach Dauer und Intensität eines Verhaltens kann differenziert werden, ob das Verhalten bereits das Tatbestandsmerkmal “sexuelle Handlung” erfüllt. Anderenfalls wäre es zwar vielleicht taktloses, aber noch sozialadäquates Verhalten und damit keine sexuelle Handlung. Dies kann beispielsweise bei der Berührung des Knies der Fall sein. Auch hier muss individuell geklärt werden, ob eine tatbestandmäßige sexuelle Motivation gegeben ist.
Wird eine Handlung als sexuelle Handlung bewertet — ist die sexuelle Motivation also zweifelsfrei geklärt — muss geprüft werden, ob diese erheblich ist. Nur dann verstößt der Beschuldigte tatsächlich gegen das Gesetz (§ 184h StGB). Warum hier ein kompetenter Rechtsanwalt unverzichtbar ist, zeigt die sogenannte Erheblichkeitsschwelle. Inwiefern diese überschritten wurde oder nicht, ist in hohem Maße auslegungsbedürftig. Ein kompetenter Rechtsanwalt oder Strafverteidiger kann also durch eine kluge Argumentation ein Urteil zulasten des Angeklagten abwenden und somit bedeutsamen Einfluss nehmen. In der Vergangenheit gab es bereits einige LG-, OGH- und BGH-Urteile, die Verhaltensweisen wie flüchtige Berührungen oder sogar taktlose Zudringlichkeiten als unerheblich bewertet haben.
Ist in diesem Kontext ein Kind beteiligt, gelten allerdings andere Maßstäbe. Hier zeigen LG-, OGH- und BGH-Urteile aus der Vergangenheit, dass die Anforderungen an die Erheblichkeit einer sexuellen Handlung geringer sind, wenn es sich bei dem zu beurteilenden Verhalten um ein Verhalten gegenüber einem Kind handelt. Entscheidend für die Argumentations- und Einflussmöglichkeiten eines Rechtsanwalts: Bei Handlungen gegenüber Kindern kommt es im Strafrecht nie darauf an, ob dieses Verhalten als sexuelle Handlung wahrgenommen oder erfasst werden kann. Hier bewegt man sich bereits sehr schnell im Bereich des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Weitere Informationen zum Kindesmissbrauch finden Sie ebenfalls auf meiner Webseite.
Exemplarische Entscheidungen der Rechtsprechung zu sexuellen Handlungen nach § 184h StGB (darunter LG-, OGH- und BGH-Urteile) finden Sie hier.
Illustration einer sexuellen Handlung gemäß Strafrecht
Wie bereits eingangs erwähnt, ist die Definition einer sexuellen Handlung nach § 184h StGB sehr unpräzise. Es ist lediglich festgeschrieben, dass nur Handlungen, “die im Hinblick auf das jeweils geschützte Rechtsgut von einiger Erheblichkeit sind” (§ 184h StGB), als sexuelle Handlungen bewertet werden können. Wie eine solche Handlung im Detail aussieht, bleibt vage. Somit obliegt es der Rechtsprechung, eine exakte Definition des Begriffs herauszuarbeiten.
Grundlegend gilt aber, dass bei einer Berührung der Geschlechtsteile sowie der unmittelbaren Umgebung eine Handlung mit sexueller Motivation vorausgesetzt werden kann. Die Intensität der Berührung und ob diese unter oder über der Kleidung vorgenommen wird, macht dabei keinen Unterschied. Des Weiteren ist es unerheblich, ob die betroffene Person die Tat aktiv wahrnimmt. Ein Griff zwischen die Beine ist somit stets und egal unter welchen Umständen als sexuelle Handlung zu deuten.
Ein Zungenkuss stellt ebenfalls eine sexuelle Handlung dar. Bei Küssen ohne Zunge muss im Einzelfall geklärt werden, ob eine sexuelle Motivation zugrunde lag. Auch bei medizinischen Untersuchungen, die von der betroffenen Person als sexuell übergriffig empfunden werden, muss fallspezifisch untersucht werden. Maßgebend für den Ausschluss einer sexuellen Handlung ist allerdings, dass die Patientin über den bevorstehenden Eingriff aufgeklärt wurde und vorab ihre Zustimmung gegeben hat. Ebenfalls muss der Eingriff nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt worden sein.
Welche Handlungen sind kategorisch sexuell?
- Berührung der Geschlechtsteile über der Kleidung
- Berührung der Geschlechtsteile unter der Kleidung
- Berührung der nackten Geschlechtsteile
- Berührung der Brüste/Brustwarzen
- Fotografieren oder Filmen eines Kindes mit gespreizten Beinen ohne Unterhose
Welche Handlungen sind nicht zwangsläufig sexuell?
- Streicheln des bekleideten Oberkörpers
- Streicheln von Beinen, Rücken, Haaren
- Kussversuch auf den Mund ohne Zunge
- Fotografieren oder Filmen eines Kindes mit gespreizten Beinen mit Unterhose
Abschließend lässt sich festhalten, dass eine sexuelle Handlung strafrechtlicher Relevanz immer dann gegeben ist, wenn die konkrete Handlung gegen den Willen der betroffenen Person geeignet ist, um deren Freiheit der sexuellen Selbstbestimmung zu verletzen.
Strafrechtliche Delikte, die sexueller Handlungen bedürfen, sind unter anderem sexuelle Übergriffe, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung oder sexueller Missbrauch Jugendlicher.
Exemplarische Fall-Konstellationen
Beispiel 1: Ein Zahnarzt in Erlangen wurde bei der Behandlung von seiner Patientin massiv behindert, da diese partout nicht aufhören wollte zu reden. Schließlich riss dem Zahnarzt der Geduldsfaden und er wurde verbal aufbrausend und unhöflich. Als er seinen Fehler realisierte, entschuldigte er sich bei der sichtlich gekränkten Patientin und nahm diese in den Arm. Beim Verlassen des Behandlungszimmers half er ihr schließlich noch in den Mantel. Die Folgen hat er jedoch nicht kommen sehen: Die Patientin legte Beschwerde beim Zahnärzteverband an — wegen sexueller Belästigung. Ihr Vorwurf: Der Zahnarzt sei ihr im Behandlungsstuhl „zu nahegekommen“. Da der Umarmung keine sexuell motivierte Handlung zugrunde lag, konnten alle Vorwürfe ausgeräumt werden.
Beispiel 2: Einem Mann wird von seinem Schwager vorgeworfen, dessen elfjährige Tochter sexuell missbraucht zu haben. Die Tathandlung laut Schwager: Der Beschuldigte habe seine Nichte bei einer Familienfeier aufmunternd über Schulter und Oberschenkel gestreichelt – natürlich über der Hose. Auch hier handelt es sich nicht um eine sexuelle Handlung, sodass sämtliche Vorwürfe entkräftigt werden konnten. Dennoch ist festzuhalten: Egal wie hanebüchen die Beschuldigungen auch sein mögen, der bloße Vorwurf des sexuellen Missbrauchs kann bereits ein Martyrium darstellen.