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    Anne Patsch

    Die erfolgreiche Strafverteidigerin
    gegen alle Anschuldigungen von
    Sexualdelikten. Bundesweit.

     
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    Die Wendung zum Guten
    fußt auf Vertrauen.

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    Kleine Unterschiede
    bestimmen den Erfolg!

BGHSt 45, 164 – Die BGH-Entscheidung vom 30.07.1999: BGH 1 StR 618/98 - Urteil v. 30. Juli 1999 (LG Ansbach) 

Das richtungsweisende BGH-Urteil (BGHSt 45, 164) begleitet mich maßgeblich bei meiner Arbeit als Kindesmissbrauch Anwalt und soll deshalb in diesem Beitrag Erwähnung finden. Anlass der BGH-Entscheidung vom 30.07.1999 war die Revision eines Angeklagten gegen ein Urteil des Landgerichts Ansbach vom 14.07.1998. Das Landgericht hatte den Mann wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Mangelhaftes Gutachten zur Glaubhaftigkeit

Das Urteil hatte sich auf ein fehlerhaftes und unzureichendes Glaubhaftigkeitsgutachten zur Glaubhaftigkeit der Aussage der 14-jährigen Belastungszeugin über das angebliche Missbrauchsgeschehen gestützt. In diesem Glaubhaftigkeitsgutachten war die Verfasserin - eine Dipl.-Psychologin - zu dem fehlerhaften Ergebnis gelangt, dass die Aussage der Zeugin glaubhaft sei; die Aussage der Zeugin über angeblichen sexuellen Missbrauch also über einen realen Erlebnishintergrund verfüge. Gleichzeitig hatte das Gericht den auf die Einholung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachten gerichteten Beweisantrag der Verteidigung zu Unrecht abgelehnt.

Unzureichende Begründung des Ablehnungsbeschlusses

Der BGH befand den Gerichtsbeschluss, mit welchem der Antrag der Verteidigung auf Einholung eines weiteren Glaubhaftigkeitsgutachtens abgelehnt wurde, in seiner Begründung als rechtsfehlerhaft, da dieser keine hinreichende Begründung enthielt. Denn um den Anforderungen des BGH zu genügen, hätte der Ablehnungsbeschluss den Verfahrensbeteiligten und dem Revisionsgericht eine Nachprüfung ermöglichen müssen, da in diesem Fall die Verteidigung konkrete Einwendungen gegen das Erstgutachten erhoben hatte.

Revision erfolgreich!

Demnach hat der BGH auf die Revision des Angeklagten hin das Urteil des Landgerichts Ansbach vom 14. Juli 1998 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge - Verletzung des § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO durch fehlerhafte Ablehnung eines Beweisantrags auf Einholung eines weiteren aussagepsychologischen Gutachtens- erfolgreich, ohne dass es einer weiteren Sachrüge bedurfte. Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisbeschlusses beruhte das Urteil auch, sodass es im Ergebnis aufzuheben und an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen war.

Weiter stellte der BGH in dieser Entscheidung konkrete Anforderungen an die Mindeststandards aussagepsychologischer Gutachten. Dies insbesondere zum aussagepsychologischen Procedere in der Beurteilung möglicherweise fremdsuggerierten Angaben speziell bei kindlichen Zeugen. Denn gerade bei kindlichen Zeugen besteht die Gefahr, dass diese unbewusst ihre Angaben entgegen ihrer eigenen Erinnerung verändern. Dies, um den von ihnen angenommenen Erwartungen des sie befragenden Erwachsenen zu entsprechen. Oder, um sich an dessen – vermuteter – größerer Kompetenz auszurichten.

Anforderungen an die Urteilsgründe

Nach Auffassung des BGH bedürfe es hierbei zwar einer ins Einzelne gehenden Darstellung von Konzeption, Durchführung und Ergebnissen der erfolgten Begutachtung in den Urteilsgründen nicht. Vielmehr reiche es aus, dass die diesbezüglichen Ausführungen die „wesentlichen Anknüpfungstatsachen und methodischen Darlegungen in einer Weise enthalten, die zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit und sonstigen Rechtsfehlerfreiheit erforderlich sind“, so die Leitsätze des Bearbeiters.

Im Einzelnen:

Die Anklage der Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten und späteren Revisionsführer vorgeworfen, er habe die Belastungszeugin – seine Adoptivtochter- über einen Zeitraum von etwa 8 Jahren sexuell missbraucht. Das Landgericht hatte ein aussagepsychologisches Gutachten zur Beurteilung der Angaben der Zeugin bei einer Diplom-Psychologin als aussagepsychologische Sachverständige in Auftrag gegeben. Nach entsprechender Exploration der Zeugin gelangte die Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Angaben der Zeugin glaubhaft seien; sie also in ihrer Belastungsaussage über tatsächlich von ihr Erlebtes berichte.

Indes rügte die Verteidigung des Angeklagten die Inhalte des Sachverständigengutachtens. Konkret bemängelte die Verteidigung insbesondere, dass das seitens des Gerichts eingeholte Gutachten "in der theoretischen Grundlegung und der Planung und Durchführung der psychologischen Untersuchung" mangelhaft sei und damit nicht dem Stand der Wissenschaft entspreche. So hatte die Sachverständige etwa Verbal- und Fantasieproben von der Zeugin erhoben und Anknüpfungstatsachen nicht benannt.

Zur näheren Begründung legte die Verteidigung eine schriftliche Stellungnahme des Leiters der Arbeitsstelle für Forensische Psychologie der Universität Dortmund vor und bezeichnete die geltend gemachten Mängel unter Bezugnahme diese.Das Landgericht hingegen lehnte den Beweisantrag der Verteidigung unter Verneinung der Voraussetzungen des § 244 Abs. 4 Satz 2 2. Halbsatz StPO ab. Die Ablehnungsentscheidung begründete es mit der dem Gericht bekannten Sachkompetenz der gerichtlich beauftragten Sachverständigen; insbesondere eigener richterlicher Überzeugung. Eine vorherige weitere gerichtliche Anhörung der Sachverständigen erfolgte nicht; insbesondere setzte sich das Landgericht in seinem Ablehnungsbeschluss nicht mit den von der Verteidigung geltend gemachten Mängeln des Gutachtens auseinander. Rechtsfehlerhaft – wie der BGH feststellte. Denn: indem das Landgericht sich in seinem Ablehnungsbeschluss nicht in der erforderlichen Weise, mithin einzig die lapidare Begründung, dass es sich bei der Sachverständigen um eine forensisch erfahrene und kompetente Psychologin handele, anführte, und sich mit den vom Angeklagten behaupteten Mängeln des Gutachtens in keiner Weise auseinandersetzte, entspricht diese Vorgehensweise nach Auffassung des BGH nicht den Anforderungen des § 244 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 6 StPO.

Diese knappe Begründung hätte indes nur dann ausgereicht, wenn die Verteidigung die Anhörung eines weiteren Sachverständigen beantragt hätte, ohne die Angriffspunkte am Erstgutachten näher zu begründen. Anders hier. Denn hier hatte die Verteidigung die Mängel des Erstgutachtens unter Zuhilfenahme eines von ihr beauftragten Aussagepsychologen dezidiert belegt. So bestimmt § 244, Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen in Abs.4:

(4) 1Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. 2Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

Mindeststandards von Gutachten: Glaubhaftigkeit statt Glaubwürdigkeit

Gegenstand einer aussagepsychologischen Begutachtung ist einzig die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage. Mithin die Frage, ob die Aussage des Zeugen über ein bestimmtes Geschehen einem tatsächlichen Erleben der untersuchten Person entspricht, also wahr ist. Hingegen ist die allgemeine Glaubwürdigkeit des Untersuchten für die aussagepsychologische Beurteilung irrelevant.

Mindeststandard: aussagepsychologische Begutachtung nur durch hypothesengeleitete Verifizierung und Spezifiierung der Nullhypothese

Methodisch geht die Aussagepsychologie bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit einer Aussage von der sog. Nullhypothese aus. D.h., die Ausgangsthese lautet, ‚die Aussage ist unwahr‘. Diese Vorgehensweise wurde nunmehr durch das hier gegenständliche BGH-Urteil nunmehr auch höchstrichterlich anerkannt. In einem weiteren Schritt werden sodann weitere Hypothesen, bspw. etwa: ‚bei der Aussage handelt es sich um eine bewusste Falschaussage‘ oder ‚die Aussage beruht auf Suggestion‘. Diese weiteren Hypothesen dienen der Verifizierung der Nullhypothese. Erst dann, wenn sich sämtliche weiteren Hypothesen verneinen, also verwerfen lassen, sich also keine Fakten dafür finden lassen, weshalb die Aussage bspw. eine bewusste Falschaussage sein könnte oder auf Suggestion beruht, gilt die Alternativhypothese, wonach es sich um eine wahre Aussage handelt.

Weitere Hypothesen zur Verifizierung und Spezifizierung der Nullhypothese

Neben den Hypothesen ‚bei der Aussage handelt es sich um eine bewusste Falschaussage‘ oder ‚die Aussage beruht auf Suggestion‘, sog. Suggestionshypothese ist insbesondere die ‚Hypothese der unzutreffenden Mehrbelastung‘, ‚Hypothese des konstruktiven Schließens von Erinnerungslücken‘, ‚Hypothese über Parallelerlebnis‘ sowie die sog. ‚Rache-Hypothese‘.

Häufig bei Aussagen von Kindern: Suggestion

Auto- oder (bewusst) fremdsuggerierte Angaben kindlicher Zeugen sind der Regelfall. Denn gerade Kinder verändern Aussageinhalte unbewusst ihrer eigenen Erinnerung zuwider, um den von ihnen angenommenen Erwartungen des sie befragenden Erwachsenen zu entsprechen. Gleichzeitig verfügt der sie befragende Erwachsene in ihren Augen über eine größere Kompetenz als das Kind selbst. Demnach versucht dieses unbewusst, sich an dessen vermuteter größerer Kompetenz auszurichten.

Konstruktives Schließen vorhandener Erinnerungslücken; Hypothese unzutreffender Mehrbelastung

Weiter neigen viele Zeugen, insbesondere auch kindliche Zeugen, dazu, Erinnerungslücken „konstruktiv“ zu schließen. Mit der Folge einer unzutreffenden Mehrbelastung des Beschuldigten bzw. Angeklagten. Beobachten lässt sich dies insbesondere dann, wenn der (kindliche) Zeuge die Tatvorwürfe mehrfach in unterschiedlichen Gesprächssituationen gegenüber von ihm als kompetenter eingestuften Aussageempfängern schildert. Ein völlig natürlicher Vorgang. Denn: im Rahmen der Gespräche und Befragungen werden dem Zeugen durch die jeweiligen Reaktionen der jeweiligen Aussageempfänger Informationen vermittelt. Ggf. natürlich auch unzutreffende Informationen. Diese werden von ihm nunmehr und unbewusst als eigene Erinnerung wiedergegeben.

Unterscheidung wahrer und bewusst unwahrer Aussagen

Eigentlich liegt es auf der Hand: die Schilderung eines wahren und der eines bewusst unwahren Geschehens erfordert jeweils völlig unterschiedliche geistige Leistungen des Aussagenden. Denn: wird ein Bericht aus dem Gedächtnis rekonstruiert, erfordert dies im Wesentlichen keine sonderliche geistige Leistung. Man hat es ja tatsächlich erlebt. Anders bei der bewusst falschen Aussage. Hier konstruiert die lügende Person ihre Aussage aus ihrem gespeicherten Allgemeinwissen. Das Erfinden und Aufrechterhalten einer Aussage über ein (komplexes) Geschehen ohne eigene Wahrnehmungsgrundlage zu erfinden, erfordert sonach eine weitaus höhere geistige Leistung.

Indikatoren wahrer Aussagen: Realkennzeichen

Realkennzeichen als sog. aussageimmanente Qualitätsmerkmale dienen zur Unterscheidung wahrer und bewusst unwahrer Aussagen und damit zur Bestimmung der Aussagequalität im Rahmen der Inhaltorientierten Aussageanalyse. Dabei dient das gehäufte Auftreten von Realkennzeichen als Indikator einer Aussage über tatsächlich Erlebtes. Sie haben Indizwert für die Glaubhaftigkeit der zu beurteilenden Aussage, wenn diese aus der Gesamtheit aller Indikatoren abgeleitet wird. Zu den sog. Realkennzeichen zählen insb. der Bericht über scheinbar nebensächliche Details, sog. abgebrochene Handlungsketten, unerwarteter Komplikationen, phänomengemäße Schilderungen unverstandener Handlungselemente; logische Konsistenz, quantitativer Detailreichtum, raum-zeitliche Verknüpfungen, Schilderung ausgefallener Einzelheiten und psychischer Vorgänge, Entlastung des Beschuldigten, Selbstbelastung und Einräumen von Erinnerungslücken. Es ist empirisch anerkannt, dass das gehäufte Auftreten von Realkennzeichen in einer Aussage als Hinweis auf die Glaubhaftigkeit der Angaben gilt.

Merkmalsorientierten Aussageanalyse, Konstanzanalyse

Ergänzend zur inhaltsorientierten Aussageanalyse steht die sog. merkmalsorientierte Inhaltsanalyse. Während die Inhaltsanalyse sich mit der Qualität lediglich einer Aussage befasst, geht es bei der Konstanzanalyse um das von einer Person gezeigte Aussageverhalten insgesamt. Die Konstanzanalyse bezieht sich also auf aussageübergreifende Qualitätsmerkmale, die sich aus dem Vergleich von Angaben über denselben Sachverhalt zu unterschiedlichen Zeitpunkten ergeben. Werden Zeugen etwa mehrfach zu demselben Themenkomplex vernommen, birgt dies also auch immense Vorteile. Denn: auf diese Weise ist ein Aussagevergleich im Hinblick auf Übereinstimmungen, Widersprüche, Ergänzungen und Auslassungen möglich, sog. Konstanzanalyse.

Ergänzungen der Aussageanalyse (Inhaltsanalyse und Konstanzanalyse): Fehlerquellenanalyse und Kompetenzanalyse: Aussagegenese

Regelmäßig reicht das Ergebnis der Aussageanalyse, also der Inhalts- und Konstanzanalyse, nicht aus, Glaubhaftigkeit oder fehlende Glaubhaftigkeit einer Aussage hinreichend zu beurteilen. Vielmehr bedarf es der Absicherung des mit den Methoden der Aussageanalyse gefundenen Ergebnisses durch die sog. Kompetenzanalyse und Aussagegenese.

Fehlerquellenanalyse I: Kompetenzanalyse; Sexualanamnese

Die Kompetenzanalyse wirft die Frage auf, ob die Aussagequalität durch sog. Parallelerlebnisse oder reine Erfindung erklärbar sein könnte. Erfindungskompetenz der aussagenden Person setzt deren entsprechende intellektuellen Leistungsfähigkeit voraus. Ferner spezifische Kenntnisse über den dem Vorwurf zugrunde liegenden Sachverhalt, hier insbesondere also sexualbezogenen Kenntnisse und Erfahrungen zumindest bei Zeugen, bei denen entsprechendes Wissen nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Im Rahmen der Sexualanamnese ist damit zu prüfen, ob ein Zeuge bzw. eine Zeugin Kenntnisse über unmittelbare sexuelle Verhaltensweisen hatte.

Fehlerquellenanalyse II: Aussagegenese

Im Rahmen der Aussagegenese ist die fremdanamnestischen Befragung Dritter vorzunehmen, denen gegenüber der Belastungszeuge über den Tatvorwurf gesprochen hat. Denn: ihre Kompetenz und Reaktionen auf die Aussage des Zeugen beeinflusst naturgemäß wiederum dessen weitere Aussage.

Fehlerquellenanalyse III: Motivationsanalyse

Bei der Motivationsanalyse geht es um die Feststellung möglicher Motive für eine unzutreffende Belastung des Beschuldigten durch einen Zeugen. Hierzu sind die Beziehung zwischen dem Zeugen und dem von ihm Beschuldigten zu analysieren. Ferner die Frage, welche Konsequenzen der erhobene Vorwurf für die Beteiligten oder für Dritte nach sich ziehen kann.

Fehlerquellenanalyse IV: Besonderheiten der Persönlichkeitsentwicklung

Bei der Analyse von Besonderheiten der Persönlichkeitsentwicklung des Untersuchten werden insbesondere Selbstwertprobleme, gesteigertes Geltungsbedürfnis und emotionale Vernachlässigung untersucht.

Besonderheit: auf Suggestion beruhende Angaben

Berichtet der Aussagende über einen Sachverhalt, den er selbst zwar nicht tatsächlich erlebt hat, subjektiv aber – infolge Suggestion – davon überzeugt ist, das fragliche Geschehen tatsächlich erlebt zu haben. Demnach gleicht sein Bericht über einen suggerierten Sachverhalt in der Aussagequalität völlig dem Bericht über tatsächlich Erlebtes. Denn: der Zeuge geht ja auch irrtümlich davon aus, über tatsächlich Erlebtes zu berichten. Folge: Die Realkennzeichen versagen bei der Unterscheidung wahrer und suggerierter Aussagen. Suggerierte Aussagen sind daher von wahren Aussagen wesentlich schwieriger zu unterscheiden als wahre von unwahren Aussagen:

Realkennzeichen versagen bei der Unterscheidung wahrer und suggerierter Aussagen

Allerdings sind die Realkennzeichen ungeeignet, wenn es um die Unterscheidung zwischen einer wahren und einer suggerierten Aussage geht. Vielmehr unterscheiden sich erlebnisbasierte und suggerierte Aussagen nicht in ihrer Qualität.

Durch Suggestion verursachte Aussagen; Suggestibilität

Denn bei durch Suggestion verursachten Angaben hält der Aussagende seine Angaben subjektiv für wahr. Subjektiv berichtet er demnach ‚aus dem Gedächtnis‘; muss also keine geistige Anstrengung auf die sorgfältige Aufrechterhaltung einer Lüge aufbringen. So also etwa das Kind, das seine – objektiv unwahre Aussage- unbewusst auf die Erwartungen des vernehmenden Erwachsenen ausgerichtet hat und sie damit subjektiv für wahr hält.

Suggestibilität

Suggestibilität bezeichnet die Empfänglichkeit, suggestiv übermittelte Informationen über bestimmte Sachverhalte in die das eigene Wahrnehmen, Denken und Erinnern zu integrieren und ggf. als Selbsterlebtes und als eigene Erfahrungen mitzuteilen.

Begünstigende Faktoren für Suggestibilität

Begünstigend für Suggestibilität sind insbesondere die Beziehung zum Suggestor und die psychische Befindlichkeit des Zeugen; Wissen, Erwartung, Aufmerksamkeit und Motivation des Zeugen; ferner suggestive Fragetechniken, insbesondere sogenannte „Aufdeckungsarbeit“. So werden Erwachsene insbesondere von noch kleineren Kindern wie Kindern im Vorschulalter als „Autoritätspersonen“ und kompetent eingestuft. Selbst wenn der Erwachsene keine besonderen suggestiven Fragen oder Untersuchungstechniken angewendet, ist das Kind sonach häufig bemüht, die tatsächlichen oder von ihm angenommenen Erwartungen des befragenden Erwachsenen durch ein entsprechendes Aussageverhalten zu erfüllen.

„Aufdeckungsarbeit“

Befragt der Erwachsene dann auch noch suggestiv, macht dies die Aussage des Kindes regelmäßig nicht mehr verwertbar. Zur Unterscheidung wahrer von auf Suggestion beruhender Aussagen bleibt sonach lediglich – und eingeschränkt- das Instrumentarium der Fehlerquellenanalyse – mithin Kompetenzanalyse; Sexualanamnese; Aussagegenese, Motivationsanalyse und Besonderheiten der Persönlichkeitsentwicklung.

Induktion von Erinnerung an ein nicht stattgefundenes Ereignis; „Verdrängte Erinnerungen“

Insbesondere das Phänomen verdrängter Erinnerungen an insbesondere vermeintliche traumatische Erfahrungen der Kindheit wie sexuelle Missbrauchserfahrungen in Therapien zeigt die Wirkungsweise des Zusammenspiels suggestiver Faktoren deutlich: So besteht bereits suggestives Potenzial in der Therapiesituation in der hohen Glaubwürdigkeit des Therapeuten aus Sicht des Klienten aufgrund seiner Position hat. Hinzu kommt die grundsätzliche Bereitschaft des Klienten, befindet sich dieser doch aufgrund seiner psychischen Störung in einer psychosozialen Ausnahmesituation mit damit naturgemäß einhergehender hoher Destabilisierung. Gleichzeitig bietet die Annahme des in der Kindheit vermeintlich erlebten sexuellen Missbrauchs dem Klienten und dem Therapeuten eine umfassende Erklärung für die aktuelle Krisensituation des Klienten.