Sexuelle Nötigung — nach § 177 Abs. 5 StGB
Tathandlung bei dem Tatbestand sexuelle Nötigung ist der sexuelle Übergriff gem. § 177 Abs. 1, 2, also die Vornahme sexueller Handlungen gegen den erkennbar entgegenstehenden Willen des Opfers bzw. das Ausnutzen sonstiger Umstände. Hinzukommen müssen weitere Umstände, die das Gesetz nennt – etwa eine von vier verschiedenen besonderen (Zwangs-)Situationen beim Opfer, die der Täter „ausnutzt“ oder er muss– entsprechend der alten Regelung – die Person „zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt“ haben. Darunter fällt zum Beispiel, „wenn der Täter gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet; dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“.
Der Täter kann ein Mann oder auch eine Frau sein; beide Tatbestände können auch in Mittäterschaft verwirklicht werden. Nach der Gesetzesreform ist neben dem neu hinzugekommen sexuellen Übergriff auch die sexuelle Nötigung als sogenanntes Vergehen eingestuft, was eine Verfahrensbeendigung im Strafbefehlsverfahren grundsätzlich möglich macht. Die Norm schützt die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers.
Sexuelle Nötigung in der Ehe
Auch sexuelle Nötigung in der Ehe ist nunmehr — seit dem 33. StrÄndG v. 1.7.1997 — strafbar. Bis dahin waren sexuelle Nötigung und Vergewaltigung in der Ehe lediglich als allgemeine Nötigung nach § 240 StGB strafbar; und das Merkmal „außerehelich“ Voraussetzung der sexuellen Nötigung.
Welche Strafe sieht das StGB bei sexueller Nötigung vor?
Sexueller Übergriff (§ 177 Abs. 1 StGB) und sexuelle Nötigung (§ 177 Abs. 1 StGB) sind sog. Grundtatbestände der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 StGB). Setzt die Vergewaltigung ein Eindringen in den Körper des Opfers voraus, so erfassen der sexuelle Übergriff und die sexuelle Nötigung bereits sexuelle Handlungen des Täters unterhalb dieser Schwelle. In Deutschland droht seit dem 10.11.2016 bei der sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 5 StGB) eine Freiheitsstrafe von einem bis zu fünfzehn Jahren bei einer Verjährung von 20 Jahren, in minder schweren Fällen kann jeweils eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten verhängt werden. Außerdem steht der Vorwurf der sexuellen Nötigung mit einer gesellschaftlichen Stigmatisierung in Verbindung, die für Sexualstraftaten charakteristisch ist.
Ein „neuer“ Tatbestand seit dem 10.11.2016
Der wesentliche Unterschied zwischen dem „alten“ Tatbestand der sexuellen Nötigung und dem „neuen“ Tatbestand des sexuellen Übergriffs besteht darin, dass keine nötigende Handlung des Täters mehr erforderlich ist. In Umsetzung der „Nein-heißt-Nein“-Kampagne stellt der entgegenstehende Wille des Opfers das zentrale Element dar – wie die Strafjustiz dieses Tatbestandsmerkmal praktisch ausfüllen wird, ist derzeit noch schwer abzuschätzen.
Sexuelle Handlung
Die sexuelle Handlung, also Handlung mit sexuellem Bezug, ist der Taterfolg sowohl des sexuellen Übergriffs als auch der sexuellen Nötigung; sei es, dass das Opfer diese durch den Täter oder einen Dritten an sich selbst dulden muss, oder sei es, dass das Opfer die sexuelle Handlung an dem Täter oder an einem Dritten vornehmen muss.
Der Begriff der sexuellen Handlung ist in § 184h Nr. 1 StGB definiert. Demnach muss die sexuelle, also sexualbezogene Handlung „von einiger Erheblichkeit“ sein. Verhaltensweisen, die in ihrer Art, Intensität, Dauer, Handlungsrahmen und Beziehung der Beteiligten bestenfalls Taktlosigkeiten oder Zudringlichkeiten sind, werden damit aus der Strafbarkeit ausgefiltert.
Erkennbar entgegenstehender Wille nach § 177 Abs. 1 StGB
Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht hervor, dass der entgegenstehende Wille dann erkennbar sein soll, wenn ein objektiver Dritter ihn erkennen kann. Das ist der Fall, sofern das Opfer diesen zum Tatzeitpunkt entweder ausdrücklich (verbal) erklärt oder konkludent (zum Beispiel durch Weinen oder Abwehren der sexuellen Handlung) zum Ausdruck bringt – ein bloßer innerer Vorbehalt genügt nicht.
Zu besonderen Situationen gehören:
- die Unfähigkeit einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern (zusätzliche Strafschärfung, wenn diese auf Krankheit oder Behinderung beruht)
- die erheblich eingeschränkte Fähigkeit zur Willensbildung oder –äußerung
- das Überraschungsmoment
- das Ausnutzen einer nötigungsgeeigneten Lage (z.B. Alleinlassen an einsamen Ort, Verlassen in schutzloser Lage, Entzug notwendiger Hilfe, Wegnahme von erforderlichen Hilfsmitteln)
Tathandlung der sexuellen Nötigung
Der Wortlaut des § 177 Abs. 1 StGB, sexuelle Nötigung, setzt, in der Sprache des Gesetzes voraus, dass eine Person, das sog. Opfer, „mit Gewalt“, oder „durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben“ oder „unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist“, genötigt wird, „sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen“. Geschützes Rechtsgut dabei soll die sexuelle Selbstbestimmung des potentiellen Opfers sein; das heißt, dessen persönliche Freiheit, selbst darüber zu entscheiden, ob, wann, mit wem, auf welche Weise und wo es sich sexuell betätigen will. Demnach greift der Tatbestand der sexuellen Nötigung dann, aber auch nur dann ein, wenn das potentielle Opfer gegen seinen Willen mit Sex konfrontiert wird. Die sog. Nötigungsmittel, also Mittel zur Überwindung eines der sexuellen Handlung entgegenstehenden Willen des Opfers sind dabei alternativ Gewalt, Drohung und die Ausnutzung einer schutzlosen Lage des Opfers.
Gewalt
Gewalt bedeutet hier körperlichen Zwang aus Opfersicht; sonach körperliche Krafteinwirkung des Täters auf das Opfer. Diese muss zielgerichtet, final, darauf zielen, den Widerstand und damit den sexuellen Handlungen in der konkreten Situation entgegenstehenden Willen des Opfers zu brechen; um die aus Tätersicht begehrte sexuelle Handlung zu erreichen. Irrelevant dabei ist, ob das Opfer sich wehrt oder nicht. Beispiele für Gewaltanwendung im Sinne der sexuellen Nötigung sind Festhalten der Hände, Auseinanderdrücken der Beine oder Einschließen in einen Raum.
Drohung
Eine Drohung ist dann zu bejahen, wenn der Täter, etwa durch Blicke oder Gesten dem Opfer für das Opfer in seiner Macht stehende negative Konsequenzen für den Fall, dass das Opfer dem sexuellen Verlangen nicht nachkommt, verdeutlicht und das Opfer die Drohung ernst nimmt. Für die Tätermotivation ist es irrelevant, ob dem sexuellen Verlangen Lust, Aggression oder Sadismus zugrunde liegt.
Ebenfalls irrelevant ist, ob der Drohende der sexuellen Nötigung zur Realisierung seiner Drohung überhaupt in der Lage wäre. Droht er in Wirklichkeit nur mit einer Scheinwaffe, die das Opfer nicht als Scheinwaffe erkennt, ist auch dies taugliche Drohung im Sinne der sexuellen Nötigung. Entscheidend allein ist, dass das Opfer die Drohung ernst nimmt.
Drohung im Rahmen des Tatbestands sexuelle Nötigung ist nur die Drohung mit „Gefahr für Leib oder Leben“, wenn also der Täter dem Opfer beispielsweise droht, es oder eine andere, dem Opfer nahestehende Person zu schlagen oder zu töten.
Fortwirkende Drohung
Eine Besonderheit des Tatbestands sexuelle Nötigung ist, dass die Drohung auch bereits in einem früheren Verhalten des Drohenden liegen kann, also fortwirken kann.
Ausnutzung der schutzlosen Lage
Der den sexuellen Handlungen entgegenstehende Opferwille kann auch durch das Ausnutzen einer schutzlosen Lage des Opfers überwunden werden.
Dies ist dann der Fall, wenn das Opfer sich dem Täter schutzlos ausgeliefert fühlt, beispielsweise an einem abgelegenen Ort keine Fluchtmöglichkeiten sieht und aus Angst vor möglichen Gewalteinwirkungen keinen Widerstand gegen das sexuelle Verlangen des Täters leistet.
Strafzumessung sexuelle Nötigung
Strafzumessungsgrundsätze, also die Frage, wo innerhalb des weiten Strafrahmens der Freiheitsstrafe von 1 bis 15 Jahren die für sexuelle Nötigung konkret zu erwartende Strafe anzusiedeln ist, sind straferhöhende wie strafmildernde Erwägungen.
Minder schwerer Fall der sexuellen Nötigung
Ein minder schwerer Fall ist für die sexuelle Nötigung in § 177 Abs. 5 StGB geregelt. Dann beträgt die Strafe für die sexuelle Nötigung Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.
Straferhöhende Umstände sexuelle Nötigung
Straferhöhend wirkende Umstände für eine sexuelle Nötigung sind insbesondere besonders brutales und grobes Vorgehen, besonders demütigendes Vorgehen, Verletzung des dem Täter entgegengebrachten Vertrauens, insbesondere bei sexueller Nötigung im sozialen Nahbereich des Opfers, lang anhaltende oder schwere seelische Beeinträchtigung des Opfers durch die sexuelle Nötigung, Selbstmordversuch des Opfers, Infektion des Opfers mit einer Geschlechtskrankheit, sofern dies für den Täter erkennbar war.
Strafmildernde Umstände sexuelle Nötigung
Strafmildernd wirkende Umstände bei der sexuellen Nötigung sind ein Geständnis, wenn dadurch dem Opfer eine erneut traumatisierende Zeugenvernehmung vor Gericht erspart wird, geringe Nötigungsintensität, sexuelle Handlung an der unteren Erheblichkeitsschwelle sowie die Herabsetzung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit beim Täter nahe der Grenzen des § 21 StGB.
Der Unterschied zwischen dem allgemeinen Strafrecht und dem Sexualstrafrecht ist gewaltig. Ein Rechtsanwalt, der nicht spezialisiert ist, wird Sie nicht in dem Umfang beraten können wie ein Strafverteidiger für Sexualstrafrecht. Das wichtigste Werkzeug des Sexualstrafverteidigers ist die genaue Kenntnis der Umstände, in denen sich der Beschuldigte befindet. So kann bereits eine simple Aussage bei der Polizei Sie in eine schwierige Situation bringen. Konsultieren Sie sich vom ersten Tag der Beschuldigung an mit einem Anwalt für Sexualstrafrecht.
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