Catcalling & Sexualstrafrecht
Catcalling wirkt oft wie ein dummer Spruch, kann für Betroffene aber ganz anders ankommen. In diesem Beitrag ordnet Fachanwältin Anne Patsch ein, was rechtlich in Deutschland aktuell gilt, warum Catcalling (noch) nicht strafbar ist, wo es bereits geahndet wird und welche Argumente für und gegen einen eigenen Straftatbestand sprechen.
„Catcalling“ - wirklich mehr als nur ein dummer Spruch?
Ein scharfer Pfiff, ein hinterhergerufenes „Kompliment“, ein anzüglicher Kommentar auf offener Straße. Missglückter Annäherungsversuch oder öffentliche Herabwürdigung mit negativen Folgen für die Betroffenen?
Etliche Menschen, insbesondere Frauen, sehen in vielen dummen Sprüchen tatsächlich eine verbale Belästigung.
In den Augen von Frau Rechtsanwältin und Fachanwältin für Strafrecht Anne Patsch, Frankfurt, ist dies falsch verstandener Feminismus. Denn Feminismus, wie ich ihn verstehe und lebe, bedeutet für mich, bei unpassenden Kommentaren souverän drüberzustehen und zu lachen– es sei denn, man will Deutschland noch prüder machen und weiterhin verkrampft nach etwaigen Strafbarkeitslücken im Sexualstrafrecht suchen.
Rechtsanwältin Anne Patsch ist seit knapp 20 Jahren Fachanwältin für Strafrecht und seit über 15 Jahren auf die Verteidigung im Sexualstrafrecht spezialisiert.
Im Folgenden hat sie nachfolgend die wichtigsten Fragen zum „Catcalling“ hier für Sie beantwortet:
FAQ: Fakten und Folgen von Catcalling
Was genau versteht man unter Catcalling?
Catcalling bezeichnet verbale sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit. Dazu gehören scharfe Pfiffe, hinterhergerufene „Komplimente“ oder anzügliche Kommentare. Betroffene empfinden sie als verbale öffentliche Herabwürdigungen statt als harmlose Flirtversuche.
Ist Catcalling in Deutschland strafbar?
Nein. Jedenfalls noch nicht.
Wo ist Catcalling strafbar?
In den Niederlanden ist Catcalling bereits als verbale sexuelle Belästigung strafbar, wenn dies in der Öffentlichkeit geschieht.
Warum soll Catcalling strafbar werden?
Die Befürworterinnen einer Strafbarkeit wie etwa die derzeitige Justizministerin Hubig sehen in Catcalling die gezielte männliche Machtdemonstration. Diese führe insbesondere dazu, dass Betroffene sich im öffentlichen Raum nicht mehr sicher fühlen und hierdurch Angst vor sexuellen Übergriffen entwickeln.
Dies wiederum könne dazu führen, dass Betroffene
- sich in der Auswahl ihrer Bekleidung einschränken,
- bestimmter Orte oder Wege meiden,
- sich in ihrer Sexualität eingeschränkt fühlen und/oder
- Störungen in ihrem Selbstwertgefühl entwickeln.
Warum ist Catcalling nicht als Beleidigung strafbar?
Eine Beleidigung würde eine Herabwürdigung der betroffenen Person voraussetzen. Diese kann auch bei sexueller Motivation nicht automatisch unterstellt werden.
Was spricht noch gegen die Strafbarkeit von Catcalling als verbale sexuelle Belästigung?
Bereits die Einführung des neuen Straftatbestandes der sexuellen Belästigung im Jahr 2016 als Strafbarkeit von sexuellen Berührungen unterhalb der für die Annahme einer sexuellen Handlung erforderlichen Erheblichkeit bedeutete eine massive Ausdehnung der Strafbarkeit im Sexualstrafrecht.
Auch für ein etwaiges neues Gesetz „verbale sexuelle Belästigung“ müsste die „Erheblichkeitsschwelle“ klar festgelegt werden. Es wäre also bei jedem missglückten Anmachspruch rechtlich zu klären, ob dieser bereits die Grenze zur strafbaren Belästigung überschritten hätte oder nicht. Dies wiederum würde eine erhebliche Rechtsunsicherheit bedeuten.

