Staatsanwaltschaft Berlin stellt Ermittlungsverfahren ein
Wie schnell aus einer medizinisch notwendigen Behandlung ein schwerwiegender Vorwurf entstehen kann, zeigt dieser Fall eindrücklich. Entscheidend war hier die Kombination aus aussagepsychologischer Analyse und medizinischem Fachwissen – mit dem Ergebnis: Einstellung des Verfahrens.
Hysterie beim Kinderarzt – Staatsanwaltschaft Berlin stellt Ermittlungsverfahren ein
Der Vorwurf: Schwerer sexueller Missbrauch
Meinem Mandanten, einem sehr erfahrenen Kinderarzt mit Zusatzausbildung in Naturheilkunde, Osteopathie, Manual Therapie und Faszien Therapie war schwerer sexueller Missbrauch zum Nachteil einer kindlichen Patientin vorgeworfen worden.
Medizinischer Hintergrund der Behandlung
Das Kind litt an akuten Beschwerden des Bewegungsapparates, darunter ein Beckenschiefstand, eine funktionelle Beinlängendifferenz und eine skoliotische Fehlstellung der Wirbelsäule. Ursache war eine muskuläre Dysbalance mit gestörten Muskelfunktionsketten.
Palpatorisch zeigten sich muskuläre Verspannungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, des Musculus longissimus dorsi, des Musculus gluteus maximus sowie des Musculus adductor magnus. Besonders schmerzhafte Triggerpunkte waren in der tiefen Glutealmuskulatur und in der Leistenregion zu finden.
Die Entstehung der belastenden Aussage
Nach einer Behandlung, bei der mein Mandant eine Kombination aus Triggerpunktmassage und Faszientherapie angewandt hatte, um die muskulären Verspannungen zu lösen und die funktionelle Beinlängendifferenz zu korrigieren, berichtete das Kind auf Frage der Mutter, der Arzt sei "beim Massieren so an komischen Stellen" gewesen. Auf die Frage, was komische Stellen seien, habe sdas Mädchen auf ihren Intimbereich gezeigt und angegeben, "da war er im, im Loch mit seinem Finger". In der späteren polizeilichen Vernehmung war das Kind in der Lage, eine auf den ersten Blick glaubhaft erscheinende Schilderung – „perfektioniert“ durch entsprechend suggestive Befragung der Vernehmungsbeamtin.
Analyse der Aussagegenese
Erklären lässt sich dies nur, wenn man die Geschichte der Entstehung und Entwicklung der Belastungsaussage analysiert (Aussagegenese).
Hier fällt auf: eine Mutter, die bei der Behandlung anwesend ist, und angibt, sie habe ein „komisches Bauchgefühl“ während der Behandlung gehabt. Es war diese Mutter, die das Kind auf dem Heimweg nach der Behandlung befragt, wie es die Behandlung empfunden habe. Eine Mutter, die panisch auf die Angaben des Kindes, der Arzt sei „im Loch“ gewesen reagiert und sofort den Vater anruft; es folgen Gang zur Polizei, Strafanzeige, polizeiliche Vernehmung der vermeintlich geschädigten kindlichen Zeugin.
Die medizinische Erklärung
Unsere Verteidigung stellte klar, dass die bei der Behandlung eingesetzte Triggerpunktmassage und Faszientherapie Schmerzen auslösen können, die bis in den Genitalbereich ausstrahlen. Dies erklärt, warum das Kind das Gefühl eines Eindringens schilderte.
Entscheidung der Staatsanwaltschaft
Da weder die widersprüchlichen Angaben von Mutter und Kind noch deren Belastungsaussagen die plausible medizinische Erklärung entkräften konnten, stellte die Staatsanwaltschaft Berlin das Verfahren ein.
Fazit: Juristisches und medizinisches Verständnis vereint
Der Fall zeigt erneut, dass die erfolgreiche Verteidigung in Sexualstrafsachen – insbesondere, wenn Ärztinnen, Ärzte oder medizinisches Personal betroffen sind – nicht nur aussagepsychologische Expertise erfordert, sondern auch tiefes medizinisches Verständnis. Und natürlich eine Staatsanwaltschaft, die bereit ist, diese Zusammenhänge zu erkennen.