#MeToo, TikTok und die Wahrheit – Warum Männer noch mehr schutzwürdig sind als bisher
Derzeit geht der Song „Who’s That“ der Berliner Rapperin Ikkimel viral und tausende junge Frauen teilen ihre (angeblichen) Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt.
Daneben kursieren verstörende Videos, etwa mit Titeln wie „Ich war 13, du 24“ oder „Drei Jungs schließen sich mit ihr im Klassenzimmer ein.“
Das klingt nach Machtmissbrauch, sexuellen Übergriffen, K.-o.-Tropfen, Grenzverletzungen – auf den ersten Blick nach realen, tiefgreifenden Erlebnissen. Natürlich erinnert das an die #MeToo-Bewegung.
Doch strafrechtlich werden Männer hierdurch noch mehr schutzwürdig als sie es bisher bereits infolge von Me Too und Vorverurteilungen sind.
Und in meiner Kanzlei häufen sich inzwischen die Verfahren von Jugendlichen zur Verteidigung gegen die Vorwürfe Vergewaltigung und sexuellen Missbrauch.
Als Strafverteidigerin im Sexualstrafrecht sehe ich diesen Trend mit erheblichem Misstrauen und Unbehagen.
Denn: Natürlich ist das Anprangern von Gewalt und sexuelle Übergriffe wichtig und in Ordnung – aber nur, wenn sie tatsächlich stattgefunden haben und nachweisbar sind.
Die massive Schieflage entsteht allerdings dann, indem auf Social Media Erinnerungen und Gefühle nicht hinterfragt, sondern als Tatsachen präsentiert werden.
Warum ich im Sexualstrafrecht verteidige
Ich bin Strafverteidigerin mit ganzem Herzen und habe mich sehr bewusst allein auf die Verteidigung im Sexualstrafrecht spezialisiert. Warum?
Weil ich aus tiefster Überzeugung weiß, dass genau hier die meisten Fehlurteile passieren. Hier sind die Emotionen am stärksten, hier sind die Urteile oft schon gefällt, bevor die Zeugenvernehmung der Anzeigeerstatterin überhaupt abgeschlossen ist.
Gleichzeitig sind die Konsequenzen einer zu Unrecht erfolgten Verurteilung wegen eines Sexualdelikts existentiell: Angebliche bisherige Freunde und vermeintlich liebevolle Familienmitglieder wenden sich ab, ebenso Kollegen und Nachbarn. Übt der zu Unrecht Verurteilte einen Kammerberuf aus, ist er also Arzt, Psychotherapeut, Apotheker, Steuerberater, Rechtsanwalt oder Architekt, meldet sich zudem die zuständige Kammer als Berufsaufsicht. Mit der Folge, dass die Approbation bzw. Zulassung ernsthaft gefährdet ist.
Gegen dieses Unrecht gilt es zu kämpfen!
Emanzipation bedeutet nicht Männerfeindlichkeit
Auch habe ich mich immer als eine sehr unabhängige und selbstbestimmte Frau verstanden; berufliche wie persönliche Freiheiten sind mir wichtig. Hierzu gehört auch, für Selbstbestimmung und Unabhängigkeit der Frauen einzutreten sowie für Gleichberechtigung auf allen Ebenen und die Abkehr von dem traditionellen Bild der dem Mann unterwürfigen Frau – und abhängig allein schon, weil finanziell abhängig.
Das bedeutet für mich jedoch in keiner Weise, Männer abzulehnen oder verbietet es mir, den Sex mit ihnen zu genießen.
Im Gegenteil: Ich kämpfe sehr entschieden für Männer, wenn sie Opfer von Falschbeschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs oder Vergewaltigung werden.
Selbstbestimmung und Emanzipation bedeuten also nicht, Männer pauschal zu verurteilen.
Gerechtigkeit entsteht nicht, indem man „die Männer“ pauschal verurteilt, wie es in einem anderen Song von Ikkimel heißt.
Genau das ist keine Emanzipation.
Aussage gegen Aussage – und die Rolle der Unschuldsvermutung
Im Sexualstrafrecht steht meist Aussage gegen Aussage. Damit ist die Aussage der Anzeigeerstatterin oft das zentrale Beweismittel.
Umso entscheidender ist es, die Unschuldsvermutung als Basis unseres Rechtsstaats stets zu wahren.
Denn: Öffentlich erhobene Vorwürfe – auch wenn sie aus echten, verletzten Gefühlen entstehen – ersetzen kein faires Verfahren. Auch subjektiv von einer Person als echt und verletzt empfundene Gefühle erfüllen nicht zwingend einen Straftatbestand!
Pseudoerinnerungen – wenn das Gedächtnis trügt
Sehr häufig sind die Fallkonstellationen, in welchen die angeblich „Geschädigte“ während des Geschlechtsverkehrs mit dem späteren Beschuldigten innerlich zwar nicht einverstanden ist, dies aber nicht auf eine für den Beschuldigten verständliche Weise während des Sex ausdrückt.
Ebenso häufig gibt es die Konstellation, dass eine Anzeigeerstatterin Pseudoerinnerungen entwickelt und plötzlich innere Bilder über sexuellen Missbrauch in ihrer Kindheit durch Vater, Großvater oder sonstige frühere männliche Vertrauensperson entwickelt. Bilder, die für sie subjektiv wahr sind – objektiv sich aber tatsächlich niemals ereignet haben.
Erinnerungen belegen nicht immer die Wahrheit!
In der Psychologie, insbesondere in der Aussagepsychologie ist es seit Jahrzehnten anerkannt, dass das menschliche Gedächtnis sehr anfällig für Pseudoerinnerungen ist — gerade in Krisenzeiten, bei traumatischen Erlebnissen, unprofessioneller Psychotherapie und „Opferbegleitung“, sozialen Medien, sozialen Dynamiken und Gruppenzwang.
Pseudoerinnerungen entstehen oft nicht aus böser Absicht, sondern durch die Art und Weise, wie Erinnerungen verarbeitet werden. Gerade in persönlichen Krisen – etwa nach einer gescheiterten Beziehung oder beruflichem Misserfolg – suchen Menschen nach Erklärungen dafür, warum es ihnen so schlecht geht.
Liefern dann Erzählungen in den sozialen Medien oder verstörende Videos und Songtexte der Rapperin Ikkimel scheinbar eine ganz einfache „Erklärung“ für den psychisch schlechten Zustand der betreffenden Person, erscheint der Zusammenhang plötzlich plausibel.
Zugleich teilen plötzlich tausende vermeintliche Opfer ihre (angeblichen) Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt, bestätigt dies nachvollziehbar die subjektive Richtigkeit und Überzeugung der einzelnen Person, in der Vergangenheit tatsächlich Opfer sexualisierter Gewalt geworden zu sein.
Die Pseudoerinnerung generiert sich zudem noch einfacher durch die Solidarisierung der einzelnen, angeblich Geschädigten mit tausenden ebenso nur in deren subjektiver Überzeugung Geschädigter unter einem einzigen viralen Trend.
So entsteht der Eindruck einer einheitlichen „Wahrheit“, die jedoch nicht der Realität entspricht.
Wahrheit ist, was bewiesen ist; nicht, was gefühlt ist.
Daher gilt: Subjektives Erleben und objektive Schuld müssen klar voneinander getrennt werden.