Vergewaltigung in der Ehe: Ein minder schwerer Fall der Vergewaltigung?
Dass eine Vergewaltigung in der Ehe als eine „ganz normale“ Vergewaltigung anzusehen ist, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) nunmehr mit Urteil vom 20.04.2016 klar (BGH, Urt. v. 20.4.2016 – 5 StR 37/16). Es gilt deshalb auch bei der Vergewaltigung in der Ehe: Anwalt kontaktieren!
Das Landgericht Saarbrücken hingegen war noch von einer Vergewaltigung in einem minder schweren Fall ausgegangen. Es hatte den Umstand, dass der Angeklagte und die Nebenklägerin bereits längere Zeit vor dem Tatvorwurf eine intime Beziehung in einer Ehe nach islamischem Ritus geführt hatten als Strafmilderungsgrund gesehen. Demnach verurteilte das Landgericht den Mann für die Vergewaltigung, das anale Eindringen in die Nebenklägerin, zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten auf der Grundlage des Strafrahmens des § 177 Abs. 1 StGB.
Strafrahmenverschiebung durch das Landgericht
Das Landgericht Saarbrücken nahm in seinem Urteil eine sogenannte Strafrahmenverschiebung vor: Es nahm für die Vergewaltigung den Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB anstelle des § 177 Abs. 2 StGB an. Absatz 2 wäre wegen des Eindringens in den Körper an sich einschlägig gewesen. Der erste Absatz sieht eine Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vor, der Strafrahmen des 2. Absatzes indes eine Mindestfreiheitsstrafe in Höhe von 2 Jahren.
Eine solche Strafrahmenverschiebung hin zu einem milderen Strafrahmen ist dann möglich, wenn das Gericht einen minder schweren Fall annimmt. Doch wann kommt diese Annahme zur Anewndung? Dann wenn der Unrechts- und Schuldgehalt einer Tat wesentlich vom Regeltatbild des jeweiligen Delikts abweicht. Im verhandelten Fall wäre dies das Regeltatbild einer Vergewaltigung.
Strafmilderung als kontroverses Thema
Im konkreten Fall begründete das Landgericht Saarbrücken die Annahme des minder schweren Falls der Vergewaltigung mit der Tatsache, dass die Nebenklägerin mit dem Angeklagten seit Längerem eine intime Beziehung unterhielt, in deren Verlauf es auch bereits mehrfach zum Analverkehr gekommen sei. Diesen Analverkehr habe die Nebenklägerin zwar verbal abgelehnt, aber geduldet. Damit wurde die Hemmschwelle ihres Partners dahingehend herabgesetzt, den Analverkehr nunmehr auch gegen ihren körperlichen Widerstand auszuüben.
Die gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft sowie vom Anwalt für Sexualstrafrecht der Nebenklägerin war beim BGH erfolgreich. Denn laut diesem gab es Punkte, die gegen die Annahme eines minder schweren Falls der Vergewaltigung trotz einer mit dem Eindringen in den Körper verbundenen sexuellen Handlung sprachen.
Zum einen sei nach Ansicht des BGH eine solche Annahme nur dann gerechtfertigt, wenn „nach einer Gesamtwürdigung der relevanten Strafzumessungstatsachen gewichtige Milderungsgründe hierfür streiten” (vgl. BGH, Beschl. v. 25.3.1998). Weiterhin ist fraglich, ob der Umstand, dass der Täter mit dem Opfer der Vergewaltigung vor der Tat eine längere intime Beziehung geführt hat, überhaupt für sich genommen einen Strafmilderungsgrund darstellen kann.